Kampfkunst oder Kampfsport?


Wie der Name schon sagt, steht beim Kampfsport das Sportliche im Vordergrund. Dabei geht es vordergründig um den Wettbewerb und somit um den Vergleich zweier Sportler. Ein sportlicher Wettkampf braucht Regeln (und einen Schiedsrichter, um diese zu überwachen), die wiederum dazu führen, dass nur bestimmte Techniken und Taktiken angewendet werden, um wertvolle Punkte zu machen und zu gewinnen. Das bedeutet, dass verschiedene Techniken verboten sind, die den Gegner schwer verletzen, dauerhaft schädigen oder gar töten könnten. Der Fairness halber gibt es i.d.R. eine Einteilung in Gewichts- und Altersklassen, um ungleiche Paarungen im Wettkampf zu vermeiden und ein Zeitlimit. Das Training ist inhaltlich auf den Wettkampfcharakter ausgerichtet; so stehen meist (Schnell-)Kraft-, Ausdauer-, Ahtletik- und Sandsacktraining im Vordergrund. Viele Anhänger des Kampfsports unterstützen die Aufnahme von Karate in das Programm der Olympischen Spiele 2016 in Tokyo. Wie sich Kampfkünste verändern, wenn man aus ihnen sportliche Varianten macht, kann man auch gut beim Taekwondō und beim Judō beobachten. Das Weglassen von Techniken also führt dazu, dass diese im Laufe der Jahre verloren gehen oder ganz vergessen werden, weil sie z.B. nicht mehr gelehrt werden (da sie ja als „uneffektiv“ für den Wettkampf gelten). Damit geht letztlich auch ein Stück Kultur verloren.

 

In den Kampfkünsten geht es nicht um Gewinnen oder Verlieren. Der ursprüngliche Gedanke dahinter ist, sich aus der Not heraus gegen einen oder mehrere - ggf. bewaffnete - Angreifer verteidigen zu können. Selbstverteidigung im eigentlichen Sinn hieß im feudalen Japan oder auch auf Okinawa kämpfen „auf Leben und Tod“. Daher stammt auch der englische Begriff „martial art“ bzw. das deutsche Wort „martialisch“, was u.a. „kriegerisch“ bedeutet. In einer realen Selbstverteidigungs-situation gibt es keine Regeln, keine Fairness, kein Zeitlimit und keine Gewichtsklassen. Kein Schiedsrichter unterbricht den Straßenkampf oder den nächtlichen Übergriff in einer abgelegenen Seitenstraße. Dort zählt einzig das Überleben bzw. dass man unbeschadet aus der Situation herauskommt. Demzufolge gibt es in den Kampfkünsten Techniken, die dafür geeignet sind, dem (größeren, stärken, bewaffneten…) Angreifer Schaden zuzufügen. Eine Technik ist erfolgreich, wenn sie den Angreifer zuvorkommen bzw. bezwingen kann oder ich mich befreien kann. Eine zweite Chance - wie in einem Wettkampf, bei dem mehrere Runden auf Zeit gekämpft wird - gibt es in der Selbstverteidigung nicht.

 

Fast noch wichtiger: während beim Kampfsport der aggressive Charakter des Angreifens (um der Punkte und des Sieges Willen) geschult wird, geht es den Kampfkünsten um das Verteidigen bzw. um das Vermeiden. Das spiegelt sich in dem Spruch von Gichin Funakoshi  „Karate ni sente nashi“  手に先手無し. wider: Im Karate gibt es keinen ersten Angriff. Der von Grund auf friedliche Aspekt von Kampfkunst zeigt sich zum Beispiel im Familien-Wappen von Tetsuhiro Hokama. Bei den sogenannten „traditionellen Kampfkünsten" steht zudem der geistige Aspekt im Vordergrund. Das wird im Japanischen mit der Silbe Dō  ausgedrückt. Der „beste“ Kampf im Sinne der Kampfkunst ist der, der nie stattfindet. Der Kampf in der Kampfkunst richtet sich im eigentlichen Sinn gegen sich selbst, nie gegen andere.

 

KURZ: Aus den traditionellen Kampfkünsten entwickelten sich mit den Jahren aus verschiedenen Gründen Kampfsportarten, bei denen der Wettkampfcharakter im Vordergrund steht. In den Kampfkünsten dagegen stehen geistige Werte, die Schulung des Charakters und die Selbst-verteidigung im Vordergrund. Die hier vorgenommene Unterscheidung sollte nicht falsch verstanden werden: Kampfsport hat zweifelsohne seine Daseinsberechtigung und seine Stärken und sollte nicht kleingeredet werden.