Die juristische Seite der Selbstverteidigung


Die folgenden Informationen sollen und können weder eine Rechtsberatung darstellen noch ersetzen. Im Einzelfall ist ein Rechtsanwalt zu konsultieren.

Das deutsche Strafgesetzbuch (StGB) beruht auf dem Grundsatz, dass das Recht im Unrecht nicht zu weichen braucht. In den Paragrafen 32 und 33 StGB ist das Recht auf Notwehr gesetzlich verankert.

 

§32 StGB: Notwehr 

(1)  Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

 

§33 StGB: Überschreitung der Notwehr

Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.

 

Welche Konsequenzen hat das für die Praxis?

Notwehr setzt einen Angriff voraus. Der Angriff kann sich auf jedes Rechtsgut beziehen. So begeht beispielsweise der die Handtasche entreißende Räuber einen Angriff auf das Eigentum. Beleidigungen sind ein Angriff auf die Ehre. Schläge, Tritte und andere Gewalttätigkeiten gelten juristisch gesehen ebenfalls als Angriffe auf geschützte Rechtsgüter.

 

Bei der Abwehr eines Angriffes mittels Gewalt gilt es aus juristischer Sicht folgendes zu beachten:

  1. Der Angriff muss gegenwärtig sein, d.h. er muss unmittelbar stattfinden, bevorstehen oder andauern. Auf keinen Fall darf er zeitlich zurückliegen. Beispiel: Schlägt dich jemand und verhält sich dann absolut passiv, begeht er zu dem Zeitpunkt, wo du dich erholt hast und zurückschlagen willst, keinen gegenwärtigen Angriff mehr.
  2. Der Angriff muss rechtswidrig sein, d.h. eine rechtmäßige Handlung berechtigt niemals zur Notwehr. Bei einem Kumite-Kampf nach feststehenden Regeln willigst du in die Verletzung ein.
  3. Es darf nur eine Verteidigung gewählt werden, die auch erforderlich ist. Dabei ist unter mehreren wirksamen Techniken die am wenigsten schädliche oder gefährliche zu wählen.
  4. Eine Verteidigung ist solange nicht erforderlich, als dem Angegriffenen ein Ausweichen möglich und auch zuzumuten ist.

 

Fallbeispiele

Die folgenden Beispiele sind frei erfunden und dienen lediglich des besseren Verständnisses der oben genannten Notwehr-Merkmale. Sie sollen zeigen, wie komplex die rechtliche Seite der Selbstver-teidigung ist. Und schließlich: am besten ist der Kampf, der nie stattfindet.

 

Fall 1

Während einer fröhlichen Feier legt dir ein Unbekannter den Arm um die Schultern. Du verbittest dir das. Der Unbekannte reagiert darauf nicht. Würdest du jetzt aufstehen und dich an einen anderen Platz setzen oder den Arm von der Schulter nehmen, wäre diese Belästigung „abgewehrt“. Nicht zulässig, weil nicht erforderlich, wäre in diesem Fall etwa ein Tritt in den Unterleib, das Brechen des Handgelenks oder das Zertrümmen des Nasenbeins.

 

Fall 2

Du wirst in deiner Wohnung von einem Mann überfallen. Nach dem du den Angreifer abgewehrt hast, liegt dieser am Boden. Nach kurzer Zeit wäre er in der Lage, wieder aufzustehen. Du könntest zu Nachbarn gehen, auf eine belebte Straße oder zu einer nahen Polizeidienststelle laufen. In diesem Fall wären weitere Techniken nicht erforderlich. Du darfst den Angreifer nicht durch eine weitere Technik ohnmächtig schlagen oder sein Kniegelenk brechen.

 

Fall 3

Du wirst an einem Ort, an dem dir niemand helfen kann, z.B. an einer unbewohnten Gegend, in einem großen Park, auf einer einsamen Landstraße von einem Mann überfallen. Nach dem den Angreifer abgewehrt hast, liegt dieser am Boden. Nach kurzer Zeit wäre er, wie in Fall 2, in der Lage wieder aufzustehen. In diesem Fall kannst du eine weitere verhältnismäßige Technik anwenden und den Angreifer z.B. mit einer Würge bewusstlos machen oder eine Technik gegen sein Kniegelenk ansetzen. Hier ist nämlich möglicherweise zu erwarten, dass der Angreifer, um seine Tat fortzusetzen oder um sich zu rächen, weitere Angriffe gegen dich unternehmen wird.

 

Fall 4

Ein Mann versucht dir in den Schritt zu fassen. Du hast den Angriff abgewehrt und der Mann liegt am Boden. Jetzt kannst du, sofern du dir das zutraust und andere Menschen in der Nähe sind, den Mann vorläufig festhalten (§127 Strafprozessordnung), um ihn z.B. der Polizei zu übergeben. Es muss hierbei aber immer ein unmittelbar zeitlicher Zusammenhang zu dem vorherigen Angriff bestehen. Leistet der Mann beim Festhalten Widerstand, kannst du gegen ihn eine Technik anwenden, um ihn festzuhalten (§229 Bürgerliches Gesetzbuch). Am darauffolgenden Tag darfst du den Mann, den du vielleicht rein zufällig auf der Straße wiedererkennst, nicht mehr festhalten.

 

Abschließend sei auf drei lesenswerte Online-Beiträge hingewiesen: